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Titel
Arnold Künzli. Kalter Krieg und «geistige Landesverteidigung» –eine Fallstudie


Autor(en)
Sidler, Roger
Erschienen
Zürich 2006: Chronos Verlag
Anzahl Seiten
591 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Walter Troxler

Sidler hat es unternommen, auf der Grundlage des bereits im Literaturarchiv vorhandenen Quellenmaterials das Leben des noch lebenden Arnold Künzli darzustellen. Leben und Wirken Künzlis sind sehr vielfältig mit der Schweizer Geschichte verknüpft, was jeweils in den «Zwischenbetrachtungen» besonders herausgearbeitet wird. Im ersten Kapitel wird die Verwurzelung Künzlis in der geistigen Landesverteidigung dargestellt. Er war sehr patriotisch gesinnt und verkehrte zeitweise gar in rechtsgerichteten Kreisen. Als Student an der Universität Zürich machte er sich für Ideen stark, wie sie der Gotthardbund vertreten hatte. Er kämpfte gegen Defaitismus und Anpassung und war von der Kraft der Schweizer Demokratie überzeugt. Nach Ende des Weltkrieges arbeitete er als Auslandkorrespondent der Basler «National-Zeitung» zuerst in Rom, dann in London und später in Bonn. In diesen knapp 20 Jahren des Kalten Krieges, die er vorwiegend im Ausland verbracht hatte, bemerkte er, dass die Schweiz trotz des internationalen Aufbruchs in der Mentalität der geistigen Landesverteidigung verharrte. Künzli versuchte auf nonkonformistische Weise gegen die helvetische Malaise anzukämpfen.

Seit Beginn der 60ere Jahre lehrte er als Professor für politische Philosophie an der Universität Basel. Damit begann seine Kritik an den bestehenden Gesellschaftsmodellen, und er suchte nach Alternativen. Vor dem Hintergrund des Ost-West-Dialoges war er ein starker Verfechter der sozialistischen Ideen, was er in Aufsätzen und auch als Herausgeber von Zeitschriften unter Beweis stellte. Auch Besuche in den Ostblockländern und von diversen internationalen Kongressen fehlten nicht. Ende der 70er Jahre arbeite er mit andern zusammen ein neues Parteiprogramm für die SP der Schweiz aus, das jedoch trotz der im Auftrag enthaltenen totalen Neuausrichtung keinen Gefallen der Partei fand. Die letzten 20 Jahre des 20. Jahrhunderts setzte sich Künzli verschiedentlich für alternative Bewegungen ein, wie beispielsweise in der «Elternbewegung gegen die Gewalt», in welcher sich Eltern gegen das harte Vorgehen der Polizei gegen demonstrierende und randalierende Jugendliche zur Wehr setzten. Der zunehmend radikalere Linksintellektuelle unterstützte öffentlich alternative Projekte, etwa die «WoZ» oder auch die GSOA. Diese Gruppierung suchte nach Künzlis Meinung, nicht nur einen Angriff gegen die Armee zu lancieren, sondern stellte vielmehr das helvetische Selbstbild radikal in Frage und konfrontierte es mit einer pazifistischen Utopie. Es ist folglich nur konsequent, dass er sich vehement gegen die Fichen und das politische Establishment zur Wehr setzte und all die damaligen Krisen als Schwächen des Systems brandmarkte.

Aus der einst verteidigungswerten Schweiz war nach Künzli durch die helvetische Malaise der Mythos Schweiz entstanden, der jedoch vor dem Hintergrund des zusammenbrechenden Kommunismus völlig antiquiert war und selber vom Zerfall bedroht wurde. Aus dem einstigen patriotischen Verfechter der geistigen Landesverteidigung war ein Linksintellektueller geworden, der die gesellschaftlichen und politischen Leitbilder der Schweiz hinterfragte und konsequent dagegen schrieb. – Zusammengefasst: eine interessante Biografie einer sich wandelnden Person, verpackt in der wechselvollen Geschichte der Schweiz.

Zitierweise:
Walter Troxler: Rezension zu: Roger Sidler: Arnold Künzli. Kalter Krieg und «geistige Landesverteidigung» –eine Fallstudie. Zürich, Chronos, 2006. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 57 Nr. 2, 2007, S. 214-215.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 57 Nr. 2, 2007, S. 214-215.

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